Leben mit dem Schmerz

Heute ist wieder einer dieser Tage, die man eigentlich nur im Bett mit der Decke über dem Kopf verbringen will. Wobei „will“ ist das falsche Wort, er eher „muss“ – weil es die einzige Position ist, in der man nicht von einem Schmerzkrampf nach dem nächsten geschüttelt wird. Medikamente lindern zwar meistens, jedoch nicht immer.

Man lernt damit umzugehen sich an manchen Tagen sprichwörtlich nicht aus dem Bett zu kommen, oder sich nicht nach dem Shampoo in der Dusche bücken zu können,  nicht den Kopf drehen zu können, man hat sich damit abgefunden im Fitnessstudio nicht die volle Distanz wie alle anderen gehen zu können, weil einem nach zehn Minuten schon alle Wirbel einzeln aus dem Rücken springen möchten. Man lernt auch mit der vermeintlichen Atemnot und Seitenstechen umzugehen, weil sich Teile des Brustbeins entzündet haben und dies bei jedem Atemzug in Erinnerung rufen.

Denn viel schlimmer als der reißende Schmerz an solchen schlechten Tagen (der einem dann zwar den Rest gibt) ist der immer präsente dumpfe Schmerz. Zwar weiß ich genau welche Gelenke sich mal wieder dazu entschieden haben einen Krieg mit meinem Immunsystem anzuzetteln, doch die Quelle des pochende dumpfe Schmerz im Kopf ist nicht lokalisierbar. Man fühlt sich manchmal einfach nur schlecht, leer und ist meist auch mies gelaunt und reizbar. Das Problem dabei ist, dass der Schmerz alle Sinneseindrücke und sozialen Interaktionen affektiert. Jede Sache muss hinterfragt werden: fühle ich mich jetzt wirklich schlecht deswegen oder ist das nur die Krankheit? Mag mich die Person wirklich nicht, oder kommt diese Emotion von einem völlig anderen Teil meines Gehirns? Dieser tägliche Kampf ist das Schlimmste.

Ein guter Freund meinte einmal: „Du hast eine seltensten Krankheiten der Erde abbekommen, die dich zwar nicht umbringt, aber Dir das Leben zur Hölle macht! Glückwunsch!“). Zwar hilft es nicht hier in Selbstmitleid zu verfallen (Spondylitis ankylosans ist ohnehin nicht heilbar), aber wenigstens habe ich hier einen Platz, wo ich das einmal loswerden konnte 🙂

Wer in Dänemark krank ist sollte etwas Zeit mitbringen

Die letzten Wochen war es ja etwas ruhiger hier im Blog. Das lag zum eine daran, dass ich Forschungstechnisch recht gut ausgelastet bin, und zum anderen das ich den Rest der Zeit damit beschäftigt war (gefühlt) nicht zu sterben bwz. auf dem Boden herum zu kriechen.

Doch von vorne: vor cirka 10 Jahren wurde bei mir Morbus Bechterew diagnostiziert. Eine rheumatische Erkrankung, die zwar unheilbar aber nicht lebensbedrohlich ist. Werden die Symptome jedoch nicht behandelt macht sie einem das Leben zur Hölle. Um die Sache abzukürzen: ich war in Deutschland in Langzeitbehandlung, doch dann zog ich nach Dänemark.

Mein erster naiver Versuch an die erforderlichen Medikamente zu kommen endete recht ernüchternd. Mein Hausarzt stellte mir ein Rezept für das aus, was ich haben wollte, und fertig – denkste!

Hausärzte sind so eine Sache in Dänemark. Hat man einen Wohnsitz in Dänemark wird einem ein Hausarzt zugewiesen. Das soll gewährleisten, dass alle Wohngebiete abgedeckt bzw. alle Hausärzte gleich ausgelastet sind; meinem Hausarzt kann ich vom Wohnzimmer in die Praxis schauen. Wobei Praxis ist übertrieben – eigentlich ist es nur ein Präxchen. Allerdings gibt es ein Problem: Hausärzte sind wirklich nur für die Behandlung von simpelsten Wehwehchen wie Schnupfen oder Durchfall gedacht. Dementsprechend gewichtig sind Rezepte vom Hausarzt.

Als ich das Rezept in der Apotheke  einlösen wollte stellte mir die Dame die Frage, die mir bisher alle Damen in Apotheken gestellt haben: „Oh, das haben wir nicht auf Lager. Ist es okay wenn wir das bestellen?“ und Eine, die mir bisher noch nie gestellt wurde: „Ihr Zuzahlung würde etwa 8000 Kronen betragen. Sind sie sicher, dass Sie das haben wollen?“ 8000 Kronen!? Das sind ja über 1000 Euro! Äh .. danke nein!

Es stellte sich heraus, dass das Medikament nicht zur freien Vergabe in Dänemark zugelassen ist, und ich deshalb die Kosten selbst hätte tragen müssen. Um über das Gesundheitssystem daran zukommen musste ich den langen Dienstagweg nehmen – und ich meine wirklich laaaang. Das Zeug wird hier in Krankenhäuser ungefähr genauso organisiert abgegeben wie Methadon – macht bloß nicht so high.

Zunächst überweist der Hausarzt an einen Spezialarzt. Und genauso wie in Deutschland sind dabei die Wartezeiten in Wochen zu rechnen; etwa 6 Wochen. Der Spezialarzt darf das Medikament zwar weder ausgeben, noch Bluttests machen, aber er darf in durch ein Gespräch und eine rudimentäre Untersuchung eine Diagnose stellen und ins Krankenhaus überweisen.

Und Krankenhäuser sind hier das wahre Zentrum des dänischen Gesundheitssystems. Das Krankenhaus Frederiksberg ist riesig und scheinbar für alles und jeden zuständig. Aber auch eine Uberweisung ins Krankenhaus dauert ein paar Wochen. Ich erspare Euch die Bilder (und mir die Peinlichkeit) zu beschreiben was passierte als das mir als Notlösung beschaffte Iboprofen ausging; aber es hat mit stechenden Schmerzen und kriechen auf dem Boden zu tun.

Das Beste an einem dänischen Krankenhaus ist, so glaube ich, dass das gesamte Personal einschließlich der Reinigungskräfte Englisch spricht – und das alle Schwestern und Ärztinnen unter 30 blond, groß und hübsch sind. Größter Nachteil ist allerdings, dass die alle die Ruhe weg haben und auch mit Zeit von Patienten recht großzügig umgehen.
So durfte ich über drei Wochen immer mal wieder für Bluttest oder Röntgenaufnahmen eine Stunde durch die Stadt fahren um dort aufzuschlagen. Ich verstehe ja, dass man sich nicht auf mein Wort verlässt und den ganzen Diagnoseprozess noch mal durch exerziert, aber kann man das nicht an einem Tag machen? Außerdem müssen Arbeitgeber in Dänemark unheimlich flexibel sein: die Einladung zu Untersuchungen hatte ich kurzfristig entweder einen Tag vorher, am selben Tag oder auch manchmal einen Tag danach im Briefkasten. Gut, dass ich keinen „richtigen“ Job habe und nahezu kommen und gehen kann wann ich will.

Heute war es allerdings so weit, und ich durfte mir den heiligen Gral in einer Kühltasche abholen. Der Kriechgang hat ein Ende und es ist Zeit nachzuholen, was in der letzten Woche alles liegen geblieben ist. Einen Termin für Nachschub in acht Wochen habe ich mir vorsichtshalber schon mal geben lassen.