Kommunalwahl

Es ist wirklich ruhig geworden hier im Blog. Der Hauptgrund dafür ist wohl, dass einem nach fast vier Jahren das Land gar nicht mehr so spannend und fremd vorkommt, obwohl einiges davon sicherlich berichtenswert wäre. Nach dem Doktor bin ich (ohne Plan) einfach mal geblieben wo ich bin, auch wenn ich derzeit keine Stelle an der Uni mehr habe. Dafür arbeite ich jetzt in einer dänischen Firma, und daher zum ersten Mal mit dänischen Kollegen. Das ist auch irgendwie Forschung.

Seit Wochen fand hier in Dänemark der Wahlkampf für die Kommunalwahl statt. Ich habe dem aber nicht viel Aufmerksam geschenkt. Ich wusste zwar, dass man als EU Ausländer hier irgendwie wählen darf, doch als ich im Oktober immer noch keine Wahlbenachrichtigung im Briefkasten hatte, habe ich die Sache einfach vergessen. Denkste! Vor einer Woche hatte ich den Zettel im Briefkasten: Wahlbenachrichtigung für die Kommunal- und Regionswahl. Die Zeit, die man im EU Ausland vor der Wahl gelebt haben muss, ist nämlich ein Jahr, und nicht vier. Meine Klassenkameraden im Dänischkurs waren allerdings ganz überrascht, dass sie überhaupt wählen dürfen, und fanden Dänemark besonders generös. Allerdings ist das Königreich  allerdings laut Art. 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verpflichtet, das jedoch nur am Rande. Wer möchte, kann sich darüber hinaus als Ausländer auch zur Wahl stellen; das alles gilt jedoch nicht für die nationalen Wahlen.

Also schnell die hundert Flyer, die meinen Briefkasten verstopfen, wieder aus dem Müll gekramt. Wen kann ich hier überhaupt wählen? In Deutschland weiß man ja in etwa, je nach politischer Couleur, welche Partei man wählt. Aber in einem (politisch) völlig fremden Land? Welche Parteien gibt es da überhaupt? Zum Glück (eher: leider) kämpft Dänemark aber auch mit einer gewissen Politikverdrossenheit, d.h. es gibt neben dem Wahlkampfgeprassel auch Informationskampagnen, Werbespots, und Internetseiten von offizieller Seite. Und auch eine dänische Version des „Wahl-O-Mat“ (hier, wer’s ausprobieren möchte) gibt es.

Heute war’s dann soweit, und natürlich war ich neugierig, ob das hier anders abläuft – und natürlich wollte ich meine Stimme abgeben 🙂 Das Wahllokal lag 50 Meter von meiner Wohnung entfernt, und bereits auf der Straße war zu erkennen, das innen großer Andrang herrschte. Dementsprechend durch organisiert war auch alles: hier für den Stimmzettel anstehen, Sozialversicherungskarte unter den Scanner halten, Wahlzettel bekommen, in die nächste Reihe stellen für eine Wahlkabine, in der Kabine Kreuz machen, auf der anderen Seite hinaustreten, und für eine Wahlurne anstellen. Zettel rein werfen, bitte auf der anderen Seite aus dem Gebäude hinaustreten.

Ich habe mehrmals in Deutschland als Wahlhelfer teilgenommen, und in verschiedenen Stätten an Wahlen teilgenommen – so einen Andrang habe ich dort noch nie erlebt. Und ich glaube nicht, dass der Wahlkreis hier größer ist. Schon interessant.

Bis heute Abend 20 Uhr ist eine Stimmabgabe noch möglich, übrigens auch zwei Stunden länger als in Deutschland üblich. Außerdem ist heute ein Dienstag (Wahlen in Deutschland sind ja grundsätzlich an einem Sonntag), die Idee dahinter ist, dass niemand einen freien Tag „opfern“ muss um zur Wahl zur gehen. Sollten man mal in Deutschland drüber nachdenken. Ab 20 Uhr gibt es dann die Live Hochrechnungen hier, mal schauen was passiert. Auch wenn’s „nur“ Kommunalwahlen sind.

Regierungswechsel in Dänemark

Donnerstag wurde in Dänemark ein neues Parlament, und damit auch einen neuen Ministerpräsidenten, gewählt. Ich wollte eigentlich schon eher darüber schreiben, aber die letzten drei Wochen waren ziemlich stressig, und so ging das Ganze etwas an mir vorbei. Der Termin für die Parlamentswahlen sind nämlich keineswegs im voraus bekannt. Es liegt im Ermessen des Regierungschefs diesen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu wählen – und dieses Mal waren es drei Wochen Vorlauf. Wahlkampftouren, so wie in Deutschland, kennt man hier eher nicht. Wo sollte man auch hin fahren?

Das politische Land gliedert sich in zwei Blöcke: den blauen Block, bestehend aus den Konservativen, Liberalen, der Venstre (dt. Linke) und der Dänischen Volkspartei (DF). Über letztere kann man eigentlich nur den Kopf schütteln, ich würde sie mal vorsichtig als die „dänische NPD“ bezeichnen. Dieser Partei kam nämlich in den letzten 10 Jahren, in der eine Koalition aus Konservativen und Liberalen regierte, die Rolle des Mehrheitsgebers zu, und jedes politische Vorhaben wurde an absurde ausländerfeindliche Bedingungen geknüpft. Zuletzt die Wiedereinführen der ständigen Grenzkontrollen.

Doch nun hat Dänemark eine Ministerpräsidentin und wird wohl künftig aus einer Koalition von Sozialdemokraten, Sozialisten, „radikalen Linken“ und einer Einheitsliste regiert – der rote Block. Dominierendes Wahlkampfthema war allerdings die wirtschaftliche Lage des Landes, und der rote Block hat mit dem Wahlversprechen gepunktet, ein großes Investitionspaket, u.A. für das Bildungswesen, auf den Weg zu bringen. Große Änderungen in der Außenpolitik sind wohl erst einmal nicht zu erwarten, immerhin hat man angekündigt die Grenzkontrollen wieder abzuschaffen. Allerdings wird da wohl noch mehr kommen: die „Radikale Venstre“ und die linke Einheitsliste spielen das Spiel nun umgekehrt und verlangen als Mehrheitsgeber massive Änderungen in der Ausländerpolitik in die andere Richtung. Mal sehen, was da noch kommt.

Ich habe mir das Meiste der Wahlnacht angesehen. Die Wahlberichterstattung war doch ziemlich anders; skuril: viele Kandidaten wurden live bei ihren Familien zuhause besucht. Die neue Ministerpräsidentin wurde vom Fernsehen von ihrer Haustür bis zu Wahlparty begleitet. Überhaupt waren alle am Feiern, nur bei der DF gab’s lange Gesichter. Eigentlich wird es mal Zeit, dass die EU das Wahlrecht für Ausländer reformiert, dann kann ich vielleicht auch mal mitfeiern oder zumindest wählen gehen 😉