Mit der Axt im Wald Schnitzel jagen

In diesem Blog soll es auch um Spiele gehen – schließlich werde ich mich die nächsten drei Jahre intensiv mit Spielen und deren Konzepten beschäftigen. Interessant dabei ist, dass die meisten Spielideen schon sehr alt sind, aber immer wieder in unveränderter Form aber mit anderen Techniken auftauchen. Computerspiele sind da sicherlich ein Beispiel, doch dazu in Zukunft mehr. Auch in der „realen” Spielwelt gibt es Konzepte, die sich immer wieder wiederholen.

Paintball ist z.B. eine Variante des alten „Räuber und Gendarm” oder „Cowboy und Indianer”. Nur das in der modernen Version Menschen mit Farbkugeln aus funktionstüchtigen Waffen, statt mit Platzpatronen und Holzpfeilen, aufeinander schießen, und man eine Schutzausrüstung braucht. Das Szenario ändert sich, das Prinzip ist dasselbe.

Einen anderen Evergreen habe ich gestern zum ersten Mal selbst ausprobieren dürfen: Schnitzeljagd! Man erinnert sich evtl. noch an Kindergeburtstage, an denen die anwesende Meute in zwei Gruppe eingeteilt und in den Wald geschickt wurde. Die erste Gruppe, mit einem Zeitvorsprung von vielleicht 10 Minuten (je nach Größe des Waldstückes oder Stadtteils), hatte die Aufgabe Spuren mit Sägemehl oder Papierschnitzeln zu legen, so dass die zweite Gruppe der Ersten folgen konnte. Holten sie die Anderen ein, hatten sie gewonnen und es gab Schokolade o.Ä. , die sonst an die Anderen ging – allerdings um die Kinderschar bei Laune zu halten gab es sowieso etwas für alle 😉

Es gab eine zweite Variante Nummer, bei der Eltern, Geschwister und sonstige engagierte Helfer eine Strecke ausarbeiten, bei der die Kinder einer Kette von Hinweisen folgen müssen, an deren Ende ein Schatz wartet (meist ebenfalls in Form von Schokolade). Die Hinweise reichten von einfachen Pfeilen aus Kreide auf dem Boden bis hin zu scheinbar versteckten Zetteln mit Rätseln an öffentlichen Orten (z.B. Telefonzellen oder Parkbänke). Um den Standort des nächsten Hinweises herauszufinden musste das Rätsel gelöst werden.

Dieses Prinzip erlebt nun gerade wieder eine Neuauflage in Form des sog. Geocaching. Statt mit Kreide ziehen die Spieler mit einem GPS Gerät los um bestimmte Koordinaten zu finden, an denen sich entweder ein Hinweis auf neue Koordinaten oder ein symbolischer Schatz (mittlerweile keine Schokolade mehr) versteckt sind. Dieser Schatz wurde zuvor von einem anderen Spieler versteckt. Platzierer und Sucher müssen sich aber nicht zwangsweise persönlich oder überhaupt kennen, denn kommuniziert wird dabei über verschiedene Webseiten. Dort sind die Koordinaten der Schätze, im Jargon Caches (dt. etwa geheimes Lager) genannt,  in einer globalen Datenbank hinterlegt. Wer einen Schatz gefunden hat nimmt etwas heraus,  legt etwas für den nächsten Finder hinein und/oder trägt sich in einem im Cache befindlichen Notizbuch ein. Getreu dem Motto „Ich war hier!”. Dann wird der Cache wieder an Ort und Stelle verstaut.

Wer mag kann auch noch online vermerken, dass er den Cache gefunden hat. Klingt zunächst ziemlich sinnlos, macht aber einen Heidenspaß!

Achtung! Wenn Du Geocacher bist und diesen Cache noch machen möchtest: im nachfolgenden Text sind ein paar Spoiler.

Ich kenne zwar einige Kollegen und Freunde, die diesem Hobby schon seit einiger Zeit nachgehen, doch gestern bin ich zusammen mit einer Gruppe von Freunden, die schon etwas Erfahrung im „Cachen” hatten, zum ersten Mal selbst ausgezogen. Es ging es in einen Wald etwas außerhalb von Braunschweig. Manche Caches sind explizit nur nachts aufzufinden, daher starteten wir erst gegen 23 Uhr. Bewaffnet mit Taschenlampen ging es am Startpunkt, definiert durch Koordinaten geladen von der Webseite geocaching.com, direkt in den Wald. Der Ersteller des Caches hatte sich zusätzlich eine Geschichte dazu ausgedacht, die von einem Massenmörder erzählte, der sich vor Jahrzehnten mal in dem Wald herum getrieben haben soll. Die Hinweise sollten also seine Spur darstellen.

Das Beweisfoto für meinen ersten Nachtcache
Das Beweisfoto für meinen ersten Nachtcache

Etwas schwieriger als gedacht gestaltete sich die Suche nach dem Start der Spur. Doch zufälligerweise kamen gerade zwei junge Männer aus dem Wald, die genau aus demselben Grund hier waren und uns die Richtung wiesen. Unter normalen Umständen wären mir zwei Männer, die mit Taschenlampen aus einem Wald kommen, doch ziemlich suspekt. So aber erschien mir  „N’Abend, seid ihr aus demselben Grund wie wir hier? Jo!” aber völlig normal.

Und tatsächlich, nach etwas Suchen fanden wir einige rot bemalte Bäume, und – viel wichtiger – einige lichtreflektierende Klebepunkte. Etwa alle 20-30 Meter war so ein Punkt, der sich nur mit einer Taschenlampe aufspüren ließ. Etwa 500 Meter und zwei Wegkreuzungen weiter: die erste Zwischenstation, signalisiert durch drei Reflektoren, hier muss etwas sein!
Etwas im Laub gewühlt und eine Brotdose aufgespürt. Die Dose – Igitt! – enthält ein Auge. Ok, nur Eines aus Gummi, doch im dunklen Wald, der nur von ein paar Taschenlampe erhellt wird, entfaltet das durchaus seine Wirkung.

War das schon alles? Enttäuschte Gesichter. Nach näherer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass sich im Augapfel noch weitere Koordinaten befinden. Von dort geht eine neue Reihe von Reflektoren in den Wald. Zwei weitere Zwischenstationen mit ähnlich makaberen Hinweisen (die Axt als Mordwaffe!) führen uns immer tiefer in den Wald, wo wir schließlich den Hauptschatz finden. Gut versteckt unter einem Stoß Holz und halb eingegraben. Juchu endlich! Es ist immerhin kurz nach 1 Uhr morgens und ziemlich klamm im Wald. Zum Glück ist der Boden trocken und Tiere sind weit und breit nicht zu sehen. Nur eine Eule schreit ab und zu. Das ist allerdings  dem Umstand zu verdanken, dass wenn fünf Leute durchs Unterholz klettern, und seien sie noch so vorsichtig, sie einen Höllenlärm machen. Das nimmt dem nächtlichen Wald auch ein bisschen den Grusel.

Problem war jetzt allerdings: wir stehen mitten Wald, kein Weg und keine Straße sind zu sehen. Natürlich könnte man auch einfach in eine beliebige Richtung laufen und stünde nach max. 1km wieder auf einer geteerten Straße in der deutschen Zivilisation, doch dieser Gedanke verdirbt das Abenteuer. Zum Glück jedoch ist im Deckel der Schatzkiste ein Bonus versteckt: die Koordinaten eines Hinweises der einen zurück zum Eingang des Waldes weist.

Einige Stationen später stehen wir wieder am Auto, müde (es ist 2 Uhr durch) aber doch glücklich, und fahren gen Heimat. Eigentlich haben wir nichts gemacht als uns nachts durchs Unterholz zu wühlen und unsere Namen in einem kleinen Notizbuch verewigt – und das nicht im australischen Busch oder auf der Zugspitze sondern in einem Laubwald mitten in Niedersachsen, wo man tagsüber bestimmt einige Spaziergänger mit Hund antreffen würde.
Trotzdem stellt sich das Glücksgefühl ein einen Schatz gefunden zu haben. Vielleicht wäre der Gedanke an das Abenteuer noch intensiver wenn man die Strecke nur zu zweit oder alleine und mit weniger lichtstarken Taschenlampe abläuft – wir sind schließlich auf den Spuren eines Massenmörders gewandelt – doch auch so bliebt die Erinnerung an einen netten Abend. 🙂

Ich habe jedenfalls mal die Verteilung von Caches in Kopenhagen auf Google Maps überprüft – ich glaube, ich kaufe mir auch so einen Empfänger. So sieht das wohl aus, wenn digital natives die Natur wieder entdecken 😉 Danke für den netten Abend an alle Beteiligten und eine Entschuldigung an alle Füchse deren Nachtruhe wir gestört haben!